Adelige Geschwister. Vermögensarrangements und soziale Konfigurationen

Familienportrait aus dem Geschlecht der Harrach, 1755. Abgebildet (v.l.n.r.) sind die Geschwister Franz Xaver von Harrach (1732-1781), Maria Josephina von Liechtenstein (1727-1788), Maria Rosa von Harrach (1721-1785) und Maria Anna von Lodron (1725-1780). Ganz rechts steht Ferdinand Bonaventura von Harrach (1708-1778), der Onkel väterlicherseits der vier Adeligen.

Bildnachweis: de.wikipedia.org/wiki/Harrach

Gegenwärtiges Projekt

Projektleiterin: Univ.-Prof. Dr. Margareth Lanzinger

Projektmitarbeiter*innen:
Florian Andretsch, MA
Claudia Rapberger, MA

Projektlaufzeit: Oktober 2024 – September 2026

Projektnummer: FWF - PAT 3819724

 

Das vorangegangene Projekt (siehe unten) widmete sich der Frage, welche Vermögensarrangements in österreichischen Adelsfamilien der Frühen Neuzeit getroffen wurden und wie sich diese auf die Lebensläufe und Beziehungen adeliger Geschwister auswirkten. Im Rahmen der Projektverlängerung erfolgt eine vertiefende Auseinandersetzung mit den immer noch relevanten Fragestellungen des Ausgangspunktes. Dazu wird eine erweiterte Basis von Quellen und Fallbeispielen herangezogen. Die beiden Teilstudien des Projektes widmen sich drei Themenbereichen, die sich in den vergangenen Untersuchungen als besonders relevant erwiesen haben. 

Zunächst steht die Kooperation zwischen adeligen Geschwistern im Mittelpunkt der Untersuchungen. Dabei geht es um die Frage sie ihre familialen Positionen für diese Zusammenarbeit nutzten. Entgegen der Wahrnehmung, dass der Übergang zur Primogenitur im Adel ein besonders konfliktreicher Prozess war, kam es in den hier untersuchten Familien nur selten zu Auseinandersetzungen. GegenseitigeHilfeleistungen sind hingegen viel häufiger zu beobachten. Somit ist für das Verständnis adeliger Geschwisterbeziehungen in der Frühen Neuzeit eher nach Momenten gegenseitiger Unterstützung aus verschiedenen Positionen heraus zu fragen, als nach Momenten des Konfliktes.

Ein weiterer analytischer Schwerpunkt liegt auf den Tätigkeiten adeliger Witwen. In vielen Fällen verfügten sie über beträchtlichen Einfluss und Vermögen. Zudem fungierten sie häufig als Vormündinnen, Vermächtnisempfängerinnen oder Pfandgläubigerinnen der Landgüter ihrer verstorbenen Ehemänner. Ihr Einfluss machte sie für erwachsene Brüder und Schwestern zu besonders wichtigen Verbündeten. Zudem wirkten sie vielfach auf die Beziehungen der nachfolgenden Generation ein, wozu Stief-)Kinder, Neffen und Nichten gehörten. Für unser Projekt sind sie damit besonders interessant.

Des Weiteren wird der Einfluss von Schulden und Kredit auf Geschwisterbeziehungen näher untersucht. Schuldverhältnisse entstanden etwa bei Erbschaftsverhandlungen, wenn Erbteile oder Kompensationszahlungen nicht sofort bar beglichen werden konnten. Auch außerhalb von Erbschaftsangelegenheiten verliehen adelige Geschwister häufig Geld aneinander, was finanzielle Bindungen zur Folge haben konnte. Brüder und Schwestern konnten ebenso von Bedeutung sein, wenn es darum ging familienexterne Gläubiger*innen zu finden oder mit unzufriedenen Kreditor*innen zu verhandeln. Dieser wirtschaftliche Aspekt von Geschwisterbeziehungen verdient eine nähere Betrachtung.

Vorgängerprojekt

Projektlaufzeit: Oktober 2021 – September 2024

Projektnummer: FWF - P 34762-G

Wie auch noch heute bestimmten familiale und verwandtschaftliche Verbindungen und Beziehungen in der Vergangenheit maßgeblich die soziale Stellung und die Lebenschancen einer jeweiligen Person. Einen besonders hohen Stellenwert hatte die Familie und die Verwandtschaft innerhalb des Milieus des Adels, wo Macht und Reichtum entlang von Abstammungs- und Heiratsverbindungen verteilt wurden und wo Angehörige des „Geschlechts“ gleichzeitig in hohem Ausmaß Lebenswege eines jeweiligen Individuums mitbestimmten. Kinder hatten sich in der Regel nach den Plänen ihrer Eltern oder anderer ranghoher Verwandten zu richten. Dabei ging es um Besitznachfolge, geistliche, diplomatische, militärische Ämter und Funktionen oder um günstige Heiratsverbindungen. Die Verteilung dieser Positionen folgte vor allem den Unterscheidungen, die sich durch Geschlecht und Geburtenreihenfolge ergaben. Doch hinter diesen strukturellen Vorgaben standen Menschen mit eigenen Interessen, Wünschen und Vorstellungen, die ihr Handeln bestimmten.

Die neuere Forschung geht davon aus, dass sich in der Frühen Neuzeit (ca. 1500-1800) die Organisation von Familien und Verwandtenverbänden innerhalb von mächtigen und wohlhabenden Gesellschaftsschichten grundlegend veränderten. Neue Erbpraktiken, welche im Speziellen den ältesten Sohn einer jeweiligen Familie bevorzugten, schufen neue, autoritärere Familienformen. Das Projekt fragt nach der Ausgestaltung verwandtschaftlicher Beziehungen - insbesondere zwischen Geschwistern - innerhalb einer familialen Organisation, die scheinbar so ausgeprägte Ungleichheiten zwischen Familienmitgliedern hervorbrachte.

Das Forschungsprojekt analysiert die familialen und verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der Nobilitäten des Habsburgerreiches in diesem entscheidenden Zeitraum. Durch die Kombination von verschiedenen Forschungsperspektiven sowie die Auswertung eines vielfältigen Quellenkorpus wird innerhalb zweier Teilprojekte wird ein detailreiches und differenziertes Verständnis darüber aufgebaut, wie sich familiale und verwandtschaftliche Beziehungen in Zeiten radikaler Veränderung ausgestalteten und wie Angehörige der Elite der Donaumonarchie solche Verbindungen dazu nutzten, um Vermögen zu akkumulieren und Machtpositionen zu sichern. Den Mittelpunkt der Untersuchung bilden die vier Adelsfamilien Lamberg, Starhemberg, Trauttmansdorff und Harrach.